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First Listener’s Notes |
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Klangbewegung: Wolfgang Mitterers Musik zum Lesen von e-Mails Von Paul D. Miller aka Dj Spooky
Wenn du dich zum Beispiel heute dazu entschließt, hinauszugehen und dir ein Instrument zu besorgen und zu tun, was immer du eben tust, dann kann dir keiner sagen, wie du es tun wirst, bis du es nicht getan hast. Ornette Coleman
Es gibt einen Satz aus der Feder des deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer (1788 – 1860) – bekannt vor allem für sein Werk »Die Welt als Wille und Vorstellung« (1818) –, der mir oft in den Sinn kommt, wenn ich über Musik nachdenke. In den 1851 erschienenen »Parerga und Paralipomena« schrieb er: »Jeder hält das Ende seines Gesichtskreises für das der Welt.« Das ist eine großartige Herangehensweise an alle Aspekte der Wahrnehmung, doch für die Welt der Musik, in der Geschmäcker und Stile extrem subjektiv beurteilt werden, ist sie von besonderer Relevanz. Wenn ich mich mit den kompositionen von Wolfgang Mitterer beschäftige, kann ich gar nicht anders, als über die europäische Geschichte der Musikinstrumente nachzudenken, und darüber, wie Instrumente im Zuge der technischen Weiterentwicklung zur Ausdehnung der kompositorischen Grenzen beigetragen haben. könnte man sich zum Beispiel Jazz ohne das Saxophon vorstellen? Wie würde sich der Großteil der Musik des 20. Jahrhunderts ohne dieses charakteristische Instrument wohl anhören? könnte man Musik für ein instrument machen, das es gar nicht gibt? könnten wir über Materialien und instrumente, die es nicht gibt, nachdenken, könnten wir sie beschreiben und dafür komponieren?
Schopenhauer veröffentlichte die »Parerga und Paralipomena« zehn Jahre nach der Erfindung des Saxophons durch Adolphe Sax im Jahr 1841. Es gibt diese seltsamen Zufälle, durch die nicht nur technische Entwicklungen miteinander verbunden werden, sondern die Art, wie Menschen Instrumente schaffen, also Werkzeuge, die es wiederum möglich machen, zuvor unbekannte Töne und Klänge zu schaffen. Für Schopenhauer war Musik die einzige Kunstform, die nicht lediglich Ideen kopierte, sondern den Willen selbst verkörperte. Genau darum geht es in den Arbeiten von Wolfgang Mitterer – die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen Klang, Komposition und der Musik als Schnittstelle. Für ihn erzeugt Musik eine dynamische Spannung zwischen Kontext und Inhalt. Und wenn man genauer darüber nachdenkt, sind Musikinstrumente schließlich nichts anderes als eine Art von Ton-Schnittstelle. Für mich ist Musik ein Medium zur Kanalisierung kreativer Lösungen für die Probleme der menschlichen Erfahrung – eine Ausführung über die Grenzen des menschlichen Wissens. Im Sinne Sun ras stelle ich mir Kompositionen als eine metaphysische Theorie vor, die die Grundlagen von Psychologie, Ästhetik, Ethik und Politik und deren Verhältnis zur Technologie miteinander verbindet.
Schopenhauer hat mit seinen neuen Theorien über Konzepte wie den »Willen zum Leben« Friedrich Nietzsche, Richard Wagner, Ludwig Wittgenstein, Sigmund Freud und andere beeinflusst; die Entwicklung neuer Musikinstrumente – vor allem Keyboards, Software, Band- und digitale Schnittsysteme –beeinflusst uns alle. [...] |
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Lineup |
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All compositions by Wolfgang Mitterer |
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About |
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Mitterer studierte Orgel, Komposition und Elektroakustik in Wien und Stockholm und gehört in Österreich nicht nur zu »den« Spezialisten für Elektronik, gleichermaßen virtuos an Tasten und Reglern, sondern auch zu den innovativsten Komponisten. Seine Arbeit bewegt sich zwischen Komposition und offener Form, neben Orgel- und Orchesterstücken, Opern und einem Klavierkonzert hat er elektronische Stücke produziert, Klanginstallationen konzipiert, in diversen Formationen kollektive Improvisation betrieben und eine Sprache der Extreme, der Spannung, der Vielschichtigkeit entwickelt. Mitterer lebt in Wien. |
2CD | Electronic | PRIME colors Edition |
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Empfehlung |
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Mitterer: Komponist für Oper, Konzert und Film, 2 mal mit dem Öster. Filmmusikpreis prämiert - veröffentlicht „vorläufige“ Musik, die testweise unter einen Film gelegt werden könnte... |
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Der „Teufelsorganist“ in voller Aktion: Wolfgang Mitterer sollte man irgendwann live erlebt haben – sonst kennt man die „Königin der Instrumente“ eigentlich nicht. |
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Wolfgang Mitterer kann auch das: Eine Kinderoper ohne die üblichen Plattitüden zu schreiben, ist nun wirklich kein Honiglecken – oder hier eher Marmeladelecken. |
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